Muda (無駄) – japanisch für Verschwendung – beschreibt das Streben bzw. das Ziel, Verschwendung in jeglicher Form aus der Produktion zu beseitigen und damit den Unternehmenserfolg nachhaltig zu steigern. Das ist doch mal eine interessante Ansichtsweise. Anstatt positive Dinge, wie Gewinn, Effizienz, usw. zu steigern, zielt Muda eher darauf ab, negative Einflussfaktoren zu senken.
Muda ist damit die wichtigste Komponente des 3M-Konzeptes, eine tragende Säule des Toyota-Produktions-Systems – kurz TPS und häufig auch Lean Produktion genannt. Kein Wunder. Denn Muda (Verschwendung) war der Alptraum von Taiichi Ohno, ein etwas eigensinniger aber dennoch genialer Produktionsleiter und der geistige Vater des TPS. Das von Ohno etablierte Muda-Konzept half Toyota, so manche Krise zu bewältigen und findet nicht ohne Grund in vielen Fertigungsunternehmen Anwendung – häufig mit beachtlichen wirtschaftlichen Ergebnissen.
Aber auch in der Logistik, Verwaltung, in Krankenhäusern und in Banken ist das TPS und damit auch das Muda-Konzept längst etabliert. Selbst die Softwareentwicklung, die ja gerne das Rad neu erfindet, hat sich hier eine Scheibe abgeschnitten. Grund genug sich das Muda-Konzept mal genauer anzuschauen:
Raten Sie mal, wer trotz der Ölkrise Anfang der 70er Jahre seinen Gewinn steigern konnte, obwohl der nominelle Umsatz stockte, die Wirtschaft schrumpfte und die Nachfrage nach Autos sank? Toyota. Dieser Erfolg war natürlich kein Zufall. Schon seit dem zweiten Weltkrieg erkannte Ohno: Wer Kosten senken und den Gewinn maximieren möchte, muss die Verschwendung vor allem in der Fertigung beseitigen.
Zeitgleich etablierte sich ein weiterer Gedanke in Toyotas Produktion: Just-In-Time, also die Herstellung von Produkten, wenn Sie vom Kunden gebraucht werden.
Daran hat Toyota nun aber auch im japanischen Hinterstübchen jahrelang gefeilt. Konkret hieß es vor allem, Losgrößen zu senken und Rüstzeiten zu minimieren.
Das TPS zielt also auf die Beseitigung von Verschwendung (Muda) ab. Auch wenn die Motivation damals sicherlich vor allem in der Reduzierung von unnötigen Kosten lag, klingt das Ziel Verschwendung zu reduzieren, doch ziemlich nach einer nachhaltigen Fertigungs-Philosophie. Und tatsächlich führt das TPS bzw. die Lean Produktion in der Praxis häufig zu einer Reduzierung von Abfällen, Minimierung von Materialpuffern und Umlaufbeständen und damit zu einer Gewinnsteigerung, ohne dass zwingend die Nachfrage bzw. der Umsatz wachsen muss.
Gesättigte Märkte, ein geringes Wirtschaftswachstum und hohe Rohstoffpreise, z.B. für Gas und Öl, wie wir Sie aktuell in Deutschland und der EU vorfinden, bieten in diesem Zusammenhang eine ideale Gelegenheit, um darüber nachzudenken, ob wir uns nicht einiges von der Geschichte abschauen können. Die Herausforderungen klingen jedenfalls sehr ähnlich zu denen des TPS. Es kann also nicht schaden, mal über Muda und die Beseitigung von Verschwendung in der Produktion, im Handel oder sogar in der Softwareentwicklung nachzudenken.
Der japanische Produktionsmeister Ohno hat sieben Arten von Verschwendung identifiziert:
Auch wenn das Muda-Konzept sich im ersten Moment eher nach Industrie-Esoterik anhört, nimmt man mit dem Verschwendungsbegriff also ziemlich konkrete Übeltäter ins Visier.
Ausführlichere Informationen zur Aktualität von Muda und den sieben Arten der Verschwendung gibt es in unserem passenden Blog-Beitrag.
Die visuelle Kontrolle ist ein wichtiger Bestandteil des TPS. Mit visuell ist vor allem gemeint, dass Daten intuitiv und leicht verdaulich aufbereitet sind. Da darf eine Übersicht des wichtigsten Produktions-Hemmnisses – der Verschwendung – natürlich nicht fehlen. Zu dieser Übersicht gelangt man, wenn man sich folgende Gleichung anschaut:
Die Arbeit wiederum teilt sich folgendermaßen auf:
Arbeit mit Wertschöpfung (auch Nettoarbeitszeit genannt) bezieht sich auf alle Tätigkeiten, die einen Mehrwert für das Produkt in Form einer direkten Bearbeitung haben. Als Arbeit ohne Wertschöpfung wird das notwendige Übel genannt, um die „richtige“ Arbeit durchzuführen, z.B.:
Macht denn überhaupt jemand etwas Sinnvolles? Diese sehr streng, aber ehrlich anmutende Ansicht, ist aber nun mal notwendig, um Verschwendung an der Wurzel zu packen.
Mehr zum Thema OEE-Kenzahl und Muda gibt es hier.
Verschwendung befindet sich natürlich nicht nur in der Fertigung, sondern auch in der Digitalisierung und vor allem in der Softwareentwicklung. Und nicht allzu selten ist Software zu allem Überfluss auch noch Teil des Problems. Das haben die Softwareentwickler natürlich nicht auf sich beruhen lassen. Und so hat man mit Konzepten wie KISS (Keep it simple stupid) und YAGNI (You aren’t gonna need it) nachgelegt, bzw. sich heimlich was von der guten alten Fertigungs-Lehre abgeschaut.
Das KISS-Prinzip der Softwareentwicklung ist eine Ermahnung, die Verschwendung beim Entwicklungsprozess vermeiden soll und damit sehr viele Gemeinsamkeiten mit dem Muda-Konzept ausweist:
YAGNI bezieht sich auf das Prinzip, Software nur dann zu entwickeln, wenn Sie auch wirklich gebraucht wird. Hier tritt das Muda-Konzept noch deutlicher zu Tage:
Was für die Fertigung gilt, gilt somit auch in der Softwareentwicklung: Lassen Sie nur das entwickeln, was für Ihren Anwendungsfall auch wirklich gebraucht wird und einen Mehrwert bringt – und wirklich nur dann. Just-In-Time, ums mal im Toyota-Jargon zu sagen.
Das Muda-Prinzip bzw. die Beseitigung von Verschwendung sollte also in das Repertoire eines jeden Digitalisierungsverantwortlichen, Industrial Engineers, aber auch Softwareentwicklers gehören – vor allem in der Fertigungs-IT. Denn wir leben nun mal im digitalen Software-Schlaraffenland. Es gibt Unmengen an Technologien, Standard-Lösungen, z.B. für MES-Software.
Aber haben die Hersteller dieser Lösungen jemals einen Blick in Ihren Fertigungs-Betrieb geworfen? Sollte eine Software nicht individuell zur Produktion passen und nicht die Produktion zur Software? Mit dem Fehlen einer ernsthaften Auseinandersetzung der eigenen Produktionsrealität ist auch die digitale Verschwendung im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammiert:
Kein Wunder, dass besonders in der Industrie viele Unternehmen auf die Vorteile von Individualsoftware setzen. Die können Sie nämlich ungestört über Jahrzehnte ständig verbessern und um Ihre eigenen Erkenntnisse aus der Fertigung erweitern.
Fangen Sie also an, Ihre Fertigungs-IT selbst in die Hand zu nehmen und die digitale Verschwendung zu beseitigen.
Und nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie nicht wissen, wo Sie anfangen sollen, gibt’s ja noch uns. Und sich selbst ein Bild von den Möglichkeiten der Softwareentwicklung zu machen, ist ja nun wirklich keine Zeitverschwendung.